Die Geräuschesammler & ihr Pssst, Bumm, Brrrrr ist eine interdisziplinäres Projekt von geräusch[mu’si:k]e.V. und FiPP e.V. (Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis) im Bereich frühkindlicher ästhetischer Bildung zu experimenteller Musik mit Alltagsgeräuschen, Hören als komplexer Wahrnehmung und Komponieren mit grafischen Notationen, das bei den Kindern die Freude an Geräuschen, den eigenen Entdeckergeist und das Interesse an zeitgenössischer (Geräusch-) Musik auf spielerische Weise weckt.
Von August 2017 bis Dezember 2020 konnte das Projekt mit einer dreijährigen Förderung des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung in der Fördersäule II von 5 Künstler*innen mit insgesamt 31 zweiwöchigen Workshops in 14 Berliner Kindertagesstätten (9x FiPP e.V. / 5x Fröbel, HVD, JuWo & SozDia) mit etwa 1000 Kitakindern und 60 Erzieher*innen durchgeführt werden. Viele Kitas liegen in Außenbezirken und z.T. in QM-Gebieten, sodass Projektangebote hier etwas Besonderes sind und von den Kindern mit viel Engagement angenommen werden.
Zwei Klangkünstler*innen kamen für jeweils zwei Wochen ganztägig in die Kita und tauchten gemeinsam mit 3-4 Gruppen von je 10 Kindern im Alter von 1-6 und drei Erzieher*innen jeweils 90 Minuten lang in die Welt der Geräusche ein: Mal entwickelten Sie mobile Klangküchen und große Klangbaustellen, mal erforschten sie die Geräusche der Kita-Umgebung oder erarbeiteten sogar eigene Notationsformen zum Festhalten ihrer Kompositionen.
Die geräusch[mu’si:k]-Dozent*innen brachten einen riesigen Materialfundus klingender Alltagsgegenstände wie Bürsten, Deckel, Papiertüten, Bälle, Gummibänder und Holzkisten mit, der gemeinsam mit den Kindern erforscht wurde.
- Wie klingt eine Papiertüte?
- Ein Reißverschluss?
- Ein Park zur Mittagszeit?
- Welche Klänge kann man mit einem Lineal erzeugen?
- Mit einer Playmobilfigur?
Anschließend wurden die gesammelten Geräusche in Improvisationen und spontanen Konzerten spielerisch in eine musikalische Struktur gebracht.
Außerdem untersuchten sie die Kita und Umgebung nach Klangquellen, nahmen diese mit Rekordern auf und musizieren mit Sampleplayern, fanden Begriffe für die entlockten Geräusche, zeichneten Klanglandkarten zur akustischen Umgebung der Kita und hielten ihre Kompositionsideen in sorgfältig notierten Partituren fest. Dabei sind ganz unterschiedliche Module und Projekte entstanden: Hörspaziergänge, Module, in denen nur mit Naturmaterialien gearbeitet wurde; Module, in denen elektronische Geräte im Mittelpunkt standen. In manchen Projekten wurden Instrumente gebastelt und damit Geräuschorchester gebildet und kleine Konzerte aufgeführt, oder es wurden Möbelstücke wie der Klangwagen gebaut. Diese vielfältige Modulstruktur, welche von den Kitas individuell zusammengestellt werden konnte, ermöglichte es Kindern und Pädagoginnen, über mehrere Jahre am Projekt mit aufeinander aufbauenden Modulen und wenig Wiederholungen teilzunehmen.
Die Kinder hielten ihre Geräuschfunde in Zeichnungen und Frottagen auf Forscherblättern fest und sammelten diese in ihrer Mappe “Rumorium Sonorum”. Wie bei einem Herbarium wurden dabei die Klangquelle, die Spielart und der Entdecker notiert. Desweiteren spielten wir mit den Kindern Geräuscheraten, hörten viel zeitgenössische Geräuschmusik und machten Experimente zum Thema Akustik und Schall.
Die 2-Wöchigen Projektphasen wurden in jeder Kindertagesstätte mit einem öffentlichen Eltern-Kind Nachmittag abgerundet, bei dem die Kinder ihren Familien die Geräuschgeber und -objekte, die Klangexperimente, ihre Forscherblätter, Dokumentationsfotos und ihre selbst aufgenommenen Klänge als Experten präsentierten.
Die teilnehmenden Erzieher*innen und Künstler*innen tauschten sich dreimal jährlich bei Netzwerktreffen über die Weiterentwicklung des Projektes aus, erweiterten ihre Expertise im Bereich Klang durch Praxisübungen und Schallexperimente und erprobten gemeinsam neue Bauanleitungen für Instrumente sowie altersgerechte Notationsvarianten oder Konzertformen, um die klangpädagogische Arbeit zu vertiefen und nachhaltig in ihren Kitas zu verankern. Zusätzlich bot FiPP e.V. im Fortbildungsprogramm die zweitägigen geräusch[mu’si:k]-Seminare “Mauricio Kagels Kinderinstrumente” und “Das kleinste Orchester der Welt” an, an denen auch interessierte Erzieher*innen anderer Träger außerhalb des Projektes teilnahmen.
Um das Projekt einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, erschien jährlich ein Projektmagazin mit Praxisberichten und -anleitungen zu Themen wie “Kartonkonzert und Klangküche”, “Naturmaterialien, Hörspaziergänge und Klanglandkarten”, “Klangbaustelle, Musik mit Alltagsgegenständen und grafischer Notation” sowie eine Audio-CD mit Klangbeispielen und Einzelgeräuschen zum Raten. Diese Materialien finden bereits in der Erzieher*innen-Fortbildung in Facherzieherschulen und anderen Projekten der kulturellen Bildung in Berlin ihren praktischen Einsatz.
Hören ist eine komplexe Wahrnehmung; bei den Hörexperimenten erhöht sich wie von selbst die Aufmerksamkeit der Beteiligten. Was Kindern häufig schwer fällt: Still sitzen, sich konzentrieren – keinen „Lärm“ machen –, lernen sie hier ganz nebenbei, aus Lust am Entdecken. Zugleich erfahren sie sich selbst als Performer und als Schöpfer: Ohne große Vorkenntnisse werden sie zu Produzenten von einfachen und komplexer werdenden abstrakten Strukturen.
„Macht ihr eigentlich Geräusche beim Spielen?“ fragten die Künstler*innen manchmal zu Beginn eines Projekts.
„Nee“, kommt dann die Antwort. Zehn Tage später würde sie sicher anders ausfallen.